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Wie geht es China mit dem Coronavirus?

20 März 2020

 

Kurz nachdem die Weltgesundheitsorganisation WHO die Coronavirus-Epidemie am 11. März 2020 zu einer Pandemie heraufgestuft hat, meldete China, dass der aktuelle Ausbruch von COVID-19 im Reich der Mitte seinen Höhepunkt überschritten hat.

Wir haben die Ansichten von Richard Tang, China CEO und Kai-yin Wei, General Manager von VanEck China eingeholt. Sie berichteten uns, wie sich China seit dem Ausbruch des Coronavirus Anfang Januar 2020 gehalten hat. Es folgen ihre Gedanken zu den Auswirkungen auf die Gesellschaft, die Wirtschaft und die Finanzmärkte in China.

1. Wann haben Sie zum ersten Mal von der Epidemie in China gehört und wie haben Sie das Frühjahrsfest (Chinesisches Neujahr) in diesem Jahr verbracht? Wie sehen Sie die aktuellen Pandemiekontrollen in China insgesamt und wie hat sich dies in den letzten zwei Monaten entwickelt?

Richard Tang: Ich habe vor Weihnachten zum ersten Mal von dem Coronavirus-Ausbruch in Wuhan gehört. Damals habe ich das nicht besonders ernst genommen. Ich dachte, die Lage würde bald unter Kontrolle gebracht werden, ohne irgendwelche Auswirkungen in Schanghai oder auf mein Privatleben.

Dann habe ich das gesamte chinesische Neujahrsfest mit meiner Familie zuhause verbracht – in Selbstquarantäne. Wasser, Mahlzeiten, andere Nahrungsmittel und lebensnotwendige Artikel haben wir größtenteils von Lieferdiensten kommen lassen. Ein- oder zweimal pro Woche habe ich sehr vorsichtig einen Spaziergang in unserer Wohnsiedlung unternommen. Ich habe das Haus nur verlassen, wenn es unbedingt nötig war: zum Beispiel, um einen Geschäftsvertrag zu unterzeichnen oder Lieferungen abzuholen.

Atemschutzmasken waren kaum zu beschaffen und ich hatte das Glück, Unterstützung aus Hongkong und den USA zu erhalten. Ende Februar begann sich die Versorgungslage bei den Masken zu normalisieren. Das war zum Teil einer Erholung der Produktion und der Logistikkapazitäten zu verdanken.

Ich sehe, dass die Regierung und das Volk Chinas gemeinsam Beiträge leisten und Fortschritte bei der Eindämmung des Virus erzielen. Die meisten Menschen sind zuhause geblieben: Sie haben unnötige Treffen oder Zusammenkünfte vermieden und das hat sehr geholfen.

Kai-yin Wei: Ich habe zum ersten Mal Ende Dezember/Anfang Januar 2020 davon gehört. Das Frühjahrsfest habe ich in meiner Heimatstadt in einer südlichen Provinz verbracht, bevor ich nach Peking zurückging. So wie ich es erlebt habe, begannen die Warnungen vor dem Virus im Internet und die Menschen waren bereits vor der offiziellen Ankündigung gewarnt. Lange bevor die Stadt Wuhan abgeriegelt wurde, haben die Menschen um mich herum (und ich selber) bereits Atemschutzmasken getragen.

Als erstes reagierte die jüngere Generation, sie blieben zuhause und trugen Atemschutzmasken. Die Älteren waren etwas langsamer und glaubten, dass die (lokale) Regierung die Lage unter Kontrolle hätte. Sie haben die Masken erst getragen, nachdem sie erfahren hatten, dass die Situation außer Kontrolle geraten ist.

Das Abriegeln der Stadt Wuhan kam etwas überraschend und ich konnte spüren, wie sich die Gemütslage der Menschen zu diesem Zeitpunkt plötzlich änderte. Sie begannen mit dem Finger auf andere zu zeigen, während in den Nachrichten und im Internet die skandalösen Unterlassungen und Fehler der Lokalregierung von Wuhan verbreitet wurden.

Im Vergleich zum SARS-Ausbruch war die Informationslage beim Coronavirus meiner Meinung nach recht transparent. Wir konnten sehen, wie rasant die Fallzahlen in die Höhe schnellten.

Die Angst in der Öffentlichkeit erreichte vermutlich ihren Höhepunkt, als die Zentralregierung einschritt und die Kontrolle der gesamten Lage übernommen hat. Menschen wurden überall getestet und aufgefordert, zuhause zu bleiben. Geschäfte wurden geschlossen, die Menschen sollten von zuhause arbeiten und niemand war mehr in den Straßen zu sehen – nicht einmal Autos. Zudem waren die Krankenhäuser streng bewacht. Ich bin kein Bürger von Peking, deshalb wurde ich vom regionalen Distrikt und von Polizeibeamten der Stadt mindestens zweimal kontaktiert, um meine Daten aufzunehmen.

Mit diesen strengen und harten Methoden wurde das Coronavirus Schritt für Schritt unter Kontrolle gebracht. Nun sind wieder mehr Menschen und Autos in den Straßen unterwegs. Einige Menschen gehen auch bereits wieder ins Büro. Am Wochenende gab es sogar wieder Verkehrsstaus. Die Menschen fühlen sich jetzt viel besser.

2. Wie geht es Ihnen? Wie sehr wurden Ihr Alltag und Ihr Arbeitsleben in Mitleidenschaft gezogen? Sehen Sie Änderungen in der Haltung oder Stimmung von Menschen mit Blick auf die Epidemie, ihre Lebensbedingungen und die Maßnahmen der Regierung usw. während der verschiedenen Phasen, in denen China das Virus eingedämmt hat? Was hat Sie am meisten beeindruckt?

Richard Tang: Ich habe zwischenmenschliche Kontakte weitestmöglich vermieden. Im Büro von Schanghai sind wir zu Telearbeit übergegangen und wir haben unsere Belegschaft aufgefordert, unnötiges Berufspendeln zu vermeiden.

Seit dem Ausbruch ging die Stimmung von sehr nervös bis zu einer Panik über. In den Straßen hat man nur alle 20 bis 30 Minuten jemanden gesehen – das war im ersten Monat ein sehr beunruhigendes Straßenbild. Dann kamen die Menschen allmählich wieder zu Spaziergängen aus ihren Wohnungen, blieben dabei aber rational vorsichtig.

Ich war beeindruckt, mit welcher Effizienz die chinesische Regierung Maßnahmen ergriffen hat. So wurde in 19 Tagen eine Unterkunft mit 57 Etagen errichtet, die neuen Krankenhäuser Huoshenshan und Leishenshan wurden in nur 6 bis 10 Tagen gebaut, um das Virus zu bekämpfen und einzudämmen. Darüber hinaus haben die Menschen wirklich sehr gut mit den Bekanntmachungen und Ratschlägen der Regierung kooperiert. Unter dem Strich haben sie sich sehr gut selbst reguliert und diszipliniert.

Abgesehen davon leisteten die Wohnsiedlungen, die öffentliche Verwaltung sowie die Logistikdienste einen Beitrag zur Organisation und Funktionstüchtigkeit der landesweiten Selbstquarantäne. An den Toren der Wohnsiedlungen waren Zelte eingerichtet, um Lieferungen kontaktlos zu übergeben und den zwischenmenschlichen Kontakt zu minimieren. All dies wurde mit gemeinsamen Anstrengungen umgesetzt.

Kai-yin Wei: Ich hatte mehr als genug Lebensmittel und Getränke bei mir zuhause gelagert, es ging mir also gut. Zum Glück war der lokale Lieferdienst immer für uns da, auch wenn es etwas länger dauerte als sonst. Zweifelsohne litten die Geschäfte unter der Situation.

Kunden haben keine neuen Investitionen mehr besprochen. Die Menschen wollten zunächst die Reaktion des Marktes abwarten, bevor sie etwas unternehmen würden. Immer wenn ich bei Geschäftsmöglichkeiten nachfassen wollte, sagten die Kunden: „Reden wir übers Geschäft, wenn das Virus vorbei ist.“…

Insgesamt würde ich sagen, dass sich die Menschen mit Blick auf die Krise eine positive Haltung bewahrt haben. Wir glauben alle, dass das Virus vorbeigeht. Bevor die Zentralregierung eingeschritten ist, waren die Menschen jedoch in Panik, weil die Behörden in Wuhan die Situation nicht in den Griff bekamen. Als die Zentralregierung die Zügel in die Hand nahm, begannen die Menschen über eine Rückkehr zur Normalität zu reden. Die Menschen haben immer noch ein großes Vertrauen in die Zentralregierung. Sie verfügt über alles Nötige, um strenge Maßnahmen durchzusetzen (einschließlich der Armee). Das könnte allerdings zu Lasten einer kleineren Gruppe von Menschen gehen, was uns alle traurig macht.

Ein Silberstreif am Horizont sind die Online-Aktivitäten. Dank der gut ausgebauten Infrastruktur konnten die Menschen weiter interagieren, einkaufen und Meetings abhalten. Dass man heutzutage alles online erledigen kann („E-Everything“), hat sich in dieser Zeit wirklich ausgezahlt. Und dann sind noch die Lieferdienste zu erwähnen. Auch in diesen schwierigen Zeiten funktionieren Lieferdienste und Logistik nach wie vor. Das ist einer der wichtigsten Faktoren, der es ermöglichte, dass die Menschen zuhause bleiben konnten.

3. Wie würden Sie die Auswirkungen der Pandemie auf die chinesische Wirtschaft einschätzen? Wie beurteilen Sie persönlich die kurz- und langfristigen Wachstumsaussichten für China? Was ist Ihnen am gesamtwirtschaftlichen Umfeld in China aufgefallen? Können Sie zu den Notfallplänen Stellung nehmen, mit denen China der konjunkturellen Abkühlung 2020 begegnen will?

Richard Tang:Die chinesische Regierung tut ihr Möglichstes, um eine fiskal- und geldpolitische Unterstützung zu bieten und die Wirtschaft sowie die Gesellschaft vor den Auswirkungen des Coronavirus zu schützen. Kleine Unternehmen werden ebenfalls bei der Überbrückung dieser Zeit unterstützt. Dennoch ist es unvermeidbar, dass die Konjunktur in China kurzfristig Schaden nehmen wird. Das Verhalten der Menschen hat sich von Offline-Mustern hin zur Online-Welt verschoben. Daher können einige Sektoren, die von einer solchen Entwicklung profitieren, wirtschaftlichen Rückenwind erhalten. Andere Bereiche wie der Einzelhandel, Unterhaltung, Fluggesellschaften und weitere werden nach wie vor stark unter der Krise leiden.

China hat viel getan: Es wurden Zuschüsse gewährt, Steuern gesenkt und Kredite sowie Versicherungen verbilligt, um den Schaden für die Wirtschaft zu begrenzen und ein Abstürzen der Konjunktur zu vermeiden. Eine wahre Erholung der Wirtschaft wird meiner Meinung nach aber davon abhängen, wie sich das wirtschaftliche Verhalten langfristig entwickeln wird, denn dies wirkt sich auf die Konsumnachfrage, die Ein- und Ausfuhren sowie die Investitionen aus. Und erst wenn ein Impfstoff gegen das Coronavirus offiziell auf dem Markt und frei verfügbar ist, würde ich mit einer realen, langfristigen Erholung der Wirtschaft rechnen. Bis dahin dürfte es eine schwierige Zeit bleiben.

Kai-yin Wei: Die kurzfristigen Auswirkungen werden dramatisch sein. Darauf lassen die aktuellen Purchasing Managers’-Indizes (Einkaufsmanagerindizes) schließen, besonders im Privatsektor. Auf längere Sicht bin ich optimistisch, weil der Wiederaufbau zum Wirtschaftswachstum beitragen wird. Derzeit wurden der Handelskrieg und andere Dispute mit Handelsbezug auf Eis gelegt. Das Wirtschaftswachstum wird sich im 1. Quartal mit Sicherheit abschwächen. Weil die Regierung ihrem Plan treu bleiben wird, bin ich aber nicht sicher, wie die Entwicklung im Gesamtjahr 2020 aussehen wird. Einige Konjunkturmaßnahmen sind bereits spürbar.

4. Aus der Sicht eines Finanzprofis, was haben Sie während der unterschiedlichen Phasen der Epidemie beobachtet (Ausbruch, Höhepunkt, Eindämmung) und wie bewerten Sie dies? 

Richard Tang: Die People’s Bank of China (Chinas Notenbank) hat einen Schritt gemacht, bevor die Finanzmärkte während des Ausbruchs überhaupt reagieren konnten. Die Liquidität wurde durch geldpolitische Maßnahmen stabilisiert. Folglich fiel die Reaktionen an den Aktien- und Anleihenmärkten milder aus als jetzt in den USA zu beobachten – zumindest kurzfristig.

Künftig dürfte es mit Blick auf die Realwirtschaft zu einem reibungslosen Anstieg (ohne Panik) kommen. Dieser wird abhängen von dem Gleichgewicht zwischen der Erholungskapazität der Realwirtschaft, wenn mehr und mehr Menschen zur Arbeit zurückkehren, und der Kontrolle des Risikos einer Ausbreitung des Virus. Im März 2020 sind die Risiken in China bisher eingedämmt worden.

Kai-yin Wei: Es ist sehr komisch. Als man dachte, dass dieses Problem nur China betreffen würde, brach der Aktienmarkt in China für einige Tage ein. Danach erholte sich die Börse aber wieder, weil die Menschen glaubten, alles wäre bald wieder unter Kontrolle. Daher erklommen viele Titel mit Bezug zu Hightech, Medizin, künstlicher Intelligenz, Online-Bildung und anderen Bereichen der New Economy neue Höchstwerte.

Chinesische Kunden haben Besprechungen über neue Investitionen aufgeschoben, weil sie die Arbeit noch nicht wieder aufgenommen haben. Als sich die Lage aber zu einer internationalen Krise ausweitete, kam es auch zum Börsencrash. Die Kunden aus China besprachen nun keine Geschäfte mehr, weil sie wirklich besorgt waren um die Zukunft der Welt und die Auswirkungen auf China.

Ein in China berühmter Arzt sagte, er wird Aktien nur dann kaufen, wenn die Epidemie auch an anderen Orten ihren Höhepunkt erreicht. Ich glaube, viele Menschen in China denken ähnlich.

Zu guter Letzt, kommentieren Sie bitte das „One Belt One Road“-Projekt1. Ich habe gehört, dass die Lage in Europa nun deutlich besser ist, weil China die europäischen Länder bei der Eindämmung des Virus unterstützt.

Zusammenfassung:

Medienberichten zufolge verzeichnet China nun die geringste Quote von Neuinfektionen mit dem Coronavirus seit Dezember. Im ganzen Land kehren die Menschen zur Arbeit zurück. Präsident Xi Jinping hat seit dem Beginn des Ausbruchs erstmals auch die Stadt Wuhan besucht.

David Aikman, Chief Representative Office, China, Weltwirtschaftsforum, äußerte sich jüngst zur Lage: „Ich bin beeindruckt, wie die chinesische Regierung den Balanceakt meistert, das Anschieben der Wirtschaft und den Schutz der öffentlichen Gesundheit aufeinander abzustimmen. Meiner Meinung nach könnten viele Länder von den Erfahrungen Chinas profitieren.“

Eine internationale Solidarität und Zusammenarbeit sind einem Sprecher des Außenministeriums zufolge in Anbetracht der Epidemie absolut unerlässlich. Die internationale Gemeinschaft wird dank gemeinsamer Bemühungen den Kampf gegen das Coronavirus gewinnen.

Ruhig bleiben und weitermachen.

1Die offizielle Bezeichnung des „One Belt One Road“-Projekts ist „Belt and Road Initiative“. Es handelt sich um eine globale Entwicklungsstrategie der chinesischen Regierung, die sich auf die Entwicklung von Infrastrukturen sowie Investitionen in Organisationen und Länder in Asien, Europa und Afrika konzentriert.

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