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Mythen in Verbindung mit Anleihen-ETFs

22 September 2020

Videolänge 6:07

James Kim, Director of ETF Capital Markets, setzt sich kritisch mit zwei weit verbreiteten Mythen zu Anleihen-ETFs auseinander: nämlich, dass sich die Liquidität von ETFs in volatilen Märkten in Luft auflöst und dass Prämien und Abschläge auf Fehlbewertungen von ETFs hinweisen.

Jenna Dagenhart: Hallo und herzlich willkommen bei Asset TV. Heute sprechen wir mit James Kim, Director of ETF Capital Markets bei VanEck, über zwei Mythen in Verbindung mit Anleihen-ETFs. Herr Kim, einige Menschen glauben, dass sich in volatilen Märkten oder bei einem Abverkauf unter Anleihen die Liquidität von ETFs in Luft auflöst und die ETF-Struktur unter Druck gerät und Schaden nimmt. Sie behaupten jedoch, dass dies nur ein „Mythos“ sei. Warum?


James Kim: Hallo, Frau Dagenhart. Vielen Dank für die Einladung. Meiner Meinung nach geht dieses Vorurteil größtenteils auf die Einschätzung zurück, dass Merkmale der ETF-Struktur den Anlegern besonderen Schaden zufügen können oder dass die Anleger dadurch mehr in Mitleidenschaft gezogen werden können, als bei anderen Anlageninstrumenten wie etwa aktiv gemanagten Fonds mit Zugang zu den Anleihenmärkten. In Wahrheit sollten Anleger in Anleihen-ETFs nicht schlechter dastehen als diejenigen, die andere Anlageinstrumente nutzen. Sie könnten in Zeiten von Marktstress sogar von den Merkmalen eines ETF profitieren.


Historisch sind die Handelsvolumen von Anleihen-ETFs in volatilen Zeiten tatsächlich gestiegen, obgleich die Liquidität und der Handel bei den zugrunde liegenden Anleihen zurückgingen. Diese duale Quelle der Liquidität kam bislang ETF-Anlegern entgegen, die unter gewöhnlichen Marktbedingungen ihre Transaktionen zu engen Geld-Brief-Spannen durchführen konnten, während sie in Zeiten von Marktstress nach wie vor von angemessenen Spreads profitierten. ETF-Anlegern kommt eine Zusatzliquidität zugute, die andere Anlageinstrumenten nicht haben. Da Anteile eines ETF auch zwischen Käufern und Verkäufern an einer Börsen gehandelt werden können, besteht häufig keine Notwendigkeit, neue Anteile aufzulegen oder Anteile zurückzunehmen. Und in diesen Fällen wird auch kein autorisierter Marktteilnehmer für den Handel der zugrunde liegenden Anleihen benötigt.


Jenna Dagenhart: Wie steht es um ein Szenario, in dem es zu Nettoverkäufen von ETF-Anteilen kommt? Was passiert dann?


James Kim: Nun. In diesem Fall wären wahrscheinlich die Market Maker für ETFs letztlich die Käufer zu einem Preis, der ihrer Einschätzung zufolge nicht nur die Bewertung der zugrunde liegenden Anleihen sondern auch erwartete Transaktionskosten berücksichtigt. Ob der Market Maker nun beschließt, die ETF-Anteile auf seinen Büchern zu halten oder seine Anteile zurückzugeben – er wird bereits eine Schätzung dieser Kosten erstellt und diese Kosten in dem von ihm zu erzielenden Marktpreis berücksichtigt haben.


In Zeiten von Volatilität können diese Transaktionskosten in die Höhe schnellen, was vorübergehend zu überdurchschnittlich starken Divergenzen zwischen Marktpreis und NIW (Nettoinventarwert) führen kann. Ungeachtet dessen werden am Markt jedoch weiterhin Quotierungen vorzufinden sein, zu denen der Market Maker bereit ist, Anteile zum Verkauf anzubieten oder für deren Kauf Gebote zu unterbreiten. Außerdem sollte berücksichtigt werden, dass diese Transaktionskosten vom handelnden Anleger zu tragen sind. Der ETF und seine verbleibenden Anteilseigner tragen diese Kosten in der Regel nicht.


Jenna Dagenhart: Wenden wir uns nun dem zweiten Mythos zu. Prämien und Abschläge lassen vermuten, dass ETFs fehlbewertet sind und Anleger keinen fairen Preis für sie entrichten. Sie sagen dazu jedoch: „Stimmt nicht“.


James Kim: Ja, ganz genau. Eine Prämie oder ein Abschlag ist die Differenz zwischen Anteilspreis im Fonds und dessen Nettoinventarwert bzw. NIW. Der NIW ist ein Maß für den Wert eines Fonds, einschließlich der Bestände und der Verbindlichkeiten des Fonds wie z. B. aufgelaufene Kosten oder Kreditaufnahmen. Sowohl ETFs als auch aktiv gemanagte Fonds berechnen ihren NIW auf Tagesbasis. Für Anleger kommt dem NIW eine über den geschätzten fairen Wert des Fonds hinausgehende Bedeutung zu. Anleger in aktiv gemanagten Fonds können zum NIW Transaktionen vornehmen, ebenso autorisierte Marktteilnehmer, die ETF-Anteile auflegen oder zurücknehmen können.


Im Gegensatz zu Anlegern in aktiv gemanagten Fonds kaufen oder verkaufen ETF-Anleger ihre Anteile in der Regel zu den von den ETF-Market-Makern im Verlauf eines Börsenhandelstags quotierten Marktpreisen. Diese Sekundärmarktpreise spiegeln nicht nur die Bewertungen des Market Maker zu diesen Anleihen wider, ähnlich dem, was ein NIW leisten soll, sondern auch etwaige antizipierte Transaktionskosten. Differenzen zwischen dem Marktpreis und dem NIW werden durch die Prämie oder den Abschlag erfasst.


Jenna Dagenhart: Um kurz nachzuhaken, Herr Kim: Welche Kosten beinhaltet die Prämie bzw. der Abschlag?


James Kim: Gerne. Die Prämie bzw. der Abschlag beinhaltet Kosten, die dem Anteilseigner ansonsten entstünden, würde er das Fondsportfolio replizieren. Der Unterschied besteht darin, dass bei einem ETF diese Kosten von den handelnden Anteilseignern getragen werden. Führt beispielsweise der Verkauf von Anteilen durch einen ETF-Anleger zu Rücknahmen, dann zahlt dieser Verkäufer die Kosten der Rücknahme, da der Market Maker sie im Sekundärmarktpreis berücksichtigt hat. Die im Fonds verbleibenden Anteilseigner tragen diese Transaktionskosten nicht, da die Rücknahme über die Lieferung der Erträge aus den Wertpapieren erfüllt wird. Infolge dessen müssen ETF-Portfoliomanager im Allgemeinen keine Wertpapiere verkaufen oder Rücknahmen vornehmen.


Andererseits übertragen Anleger in aktiv gemanagten Fonds, die ihre Anteile zum NIW zurückgeben, de facto das Ausübungsrisiko sowie andere verbundene Kosten auf die im Fonds verbleibenden Anteilseigner. Insoweit die zugrunde liegenden Wertpapiere zu Marktwerten verkauft werden, die unter den Werten liegen, die zur Berechnung des NAV herangezogen wurden, sind es die verbleibenden Anteilseigner, die diesen Verlust zu tragen haben. ETF-Marktpreise spiegeln dagegen nicht nur die Marktbewertung der Portfolioanlagen in Echtzeit, sondern auch die Transaktionskosten besser wider.


ETFs stellen damit nicht nur ein wertvolles Bepreisungsinstrument für den gesamten Markt. Sie bieten Anlegern auch ausführbare Bepreisungen für ihre Anlagen in Echtzeit. In Zeiten von Marktstress kann ein Abschlag zum NIW den Preis für unverzügliche Liquidität an bestimmten Märkten repräsentieren. ETFs bieten die Vorteile von Preistransparenz und Liquidität auch unter Marktstress, d. h., wenn diese Vorteile besonders wertvoll sind.

Jenna Dagenhart: Es war toll, dass Sie heute zu uns kommen konnten, Herr Kim. Vielen Dank für das Gespräch.


James Kim: Danke, Frau Dagenhart.


Jenna Dagenhart: Und vielen Dank fürs Zuschauen! Das war James Kim, Director, ETF Capital Markets bei VanEck. Und ich bin Jenna Dagenhart von Asset TV. Um regelmäßig Einsichten der Experten von VanEck zu erhalten, können Sie uns unter vaneck.com/ucits/subscribe abonnieren.